Kategorisierungen sind für uns Menschen existenziell wichtig. Denn sie schaffen Ordnung und geben uns Orientierung in einer komplexen Welt. Schubladen nennt das der Volksmund. Diese Art von Orientierungshilfe setzen uns auch ganz ungefragt Verlage, Lektoren und Kritiker vor. Sie teilen die Buchwelt in eine fiktionale und eine nicht-fiktionale Welt. In der fiktionalen Buchwelt geht es um erzählerische Inhalte, um Phantasie, um Erdachtes, Erfundenes, um das epische Werk, schlicht: um Literatur. In der nicht-fiktionalen Buchwelt dagegen stehen Daten, Fakten und Tatsachen im Mittelpunkt; es geht um sachliche Inhalte, um Wissenschaft und Technik, um vermeintlich trockene Materie. Das spiegelt sich auch im Buchhandel wider. Das eine Buch kann eben immer nur an einem Ort in einem dazu bestimmten Regal stehen. Sachbuch hier, Literatur da. Damit wird gleichzeitig impliziert, dass ein Sachbuch keine Literatur sein kann. Oder?
Im Buch von Martin Lüdke „Für den SPIEGEL geschrieben: Eine kleine Literaturgeschichte“ fand ich folgende Sachbuch-Definition: „Das echte Sachbuch beinhalt stets 1. Die Darstellung einer wissenschaftlichen, technischen oder verwandten Entwicklung in 2. allgemeinverständlicher und 3. schriftstellerisch gekonnter Form.“ Achtung: Punkt 3 sollte uns zu denken geben. Wenn ein Schriftsteller eine Person ist, die ein literarisches Werk verfasst, wie kann dann ein Sachbuch schriftstellerisch gekonnt geschrieben sein? Ist der Schriftsteller etwa auch ein Sachbuchautor? Und umgekehrt? Ich verrate Ihnen etwas: Meinem ersten Buch „Es ist ein hartes Leben in der Provinz /// Aber einer musste es tun“ habe ich den Untertitel „Unsachliches Sachbuch“ mit auf den Weg gegeben. In diesem Buch ging es um eine Sache, ja, sicher. Aber es spannte auch einen narrativen Bogen, der sehr persönlich gefärbt war. Einige von uns kennen aus der Schule vielleicht noch den Sachkundeunterricht, in dem sich immer alles um eine Sache drehte: Geschichte, Bio oder Geografie. Das Problem war nur, dass wir den reinen Sachunterricht fast immer langweilig fanden. Ich erinnere mich an einen sehr alten Erdkundelehrer. Es war ein älterer Herr, der vom Sachkundeunterricht so wenig hielt, wie wir. Und so machte er etwas ganz anderes: Er erzählte von seinen Reisen. Und wie er erzählte! Er erzählte von Dingen und Sachen, die wir plötzlich leibhaftig vor uns sahen. Nebenbei lernten wir etwas über Rom oder die Alpen oder das Wetter im Mittelmeerraum.
Mein erstes Buch war also ein Sachbuch. Ein narratives Sachbuch. Womit wir wieder eine Schublade hätten, der wir uns klar bedienen könnten. Ebenso klar ist, dass ein Sachbuch kein Roman ist. Aber dennoch kann auch das Sachbuch erzählerische, literarische Qualitäten haben. Davon bin ich fest überzeugt. Wir kennen das alle doch lange aus dem Fernsehen. Wissenschaftssendungen wie „Terra X“, „Leschs Kosmos“ oder „ZDF History“ bedienen sich erzählerischer, dramaturgischer Mittel, die Spannung erzeugen, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf die sachlichen Inhalte zu ziehen. Kein Mensch, kein Leser folgt heute mehr dem Typus Oberlehrer. Ein Sachbuch schreiben heißt heutzutage, zu informieren und zu unterhalten.
Eine ganz andere Sache: Sie wollen ein Sachbuch schreiben? Aber Sie haben auch Fragen: Wie wird man Sachbuchautor und was verdient man mit einem Sachbuch? Es gibt Sachbuchautoren für alles Mögliche und Unmögliche: Essen und Trinken, Gartenbau, Jagd, Kunst, Medizin, Klima, Wirtschaft, Psychologie, Philosophie, Recht, Theologie, Lebensart, Zauberkunst. Die Liste könnte man unendlich fortsetzen. Das Sachbuch – so darf man wohl bildhaft sagen – hat sehr viele Seiten. So viele, wie es Themen gibt. Als Sachbuchautor muss man sich jedoch klar sein, dass man stets nur einen Themenkomplex glaubhaft vertreten kann. Denn als Sachbuchautor ist man Experte für eine bestimmte Sache. Mit dieser Expertise muss man sich positionieren. Sein Profil weiter schärfen kann man am besten, indem man ein Sachbuch schreibt. Mindestens eines. Denn um sich auch in seiner Zielgruppe als Sachbuchautor einen Namen zu machen, reicht nicht ein einziges Sachbuch. Es sei denn, es wird ein One-Hit-Wonder und wird zum gigantischen Bestseller wie etwa Giulia Enders Sachbuch „Darm mit Charme“. Ein lehrreiches und gleichzeitig lässiges und lustiges Buch. Informativ und unterhaltsam. Narrativ eben. Dieses Buch katapultierte seine Autorin 2014 an die Spitze der deutschen Sachbuch-Bestsellerlisten, wo sie gefühlt ewig auf Platz 1 stand. Aber nicht nur. Von diesem Buch einer begeisterten Wissenschaftsvermittlerin wurden weltweit etwa vier Millionen Exemplare verkauft. Giulia Enders dürfte inklusive Übersetzungen und Hörbüchern einige Hunderttausend verdient haben. Konservativ geschätzt. Gewonnen hat sie dadurch aber vor allem an Bekanntheit. Heute ist sie eine Berühmtheit. Dabei wollte sie eigentlich nur ein Sachbuch schreiben. Aber das ist die Ausnahme. Ein Wunder eben – ein One-Hit-Wonder.
Jeder angehende Sachbuchautor sollte seinem inneren Auftrag folgen und schreiben– oder schreiben lassen. Wenn Sie wollen, schreibe ich Ihr Buch zum Business. Und das aus gutem Grund: Denn 1. habe ich bis heute zwei Dutzend Sachbücher für meine Buchkundinnen und Buchkunden schreiben dürfen. Und 2. haben Sie mit Ihrem Buch das ideale Marketingtool in der Hand. Sie können sich als Autorität in Ihrem Business präsentieren und mit Sachbuch Ihren Expertenstatus unterstreichen. Sie erzielen Aufmerksamkeit. Und was Aufmerksamkeit heutzutage im Business bedeutet, dürfte bekannt sein: Kapital. Apropos Kapital: Sie verdienen nicht unbedingt an Ihren verkauften Büchern; Sie können ihr Sachbuch auch verschenken. Dann aber bitte an die richtigen Personen. Denn Ihr Sachbuch ist Mittel zum Zweck, um Aufträge zu generieren. Das nennt man Umwegrentabilität. So ist das. Ganz sachlich betrachtet.
Der Blog zum Buch