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Die Hälfte aller Deutschen will ein eigenes Buch schreiben

All write! Deutschland – Land der Dichter und Schreiber?

Jeder zweite Deutsche will Buchautor werden – und schreiben

In Deutschland erscheinen jeden Tag rund zweihundert Bücher – Romane, Sachbücher, Biografien. Ich kann die Zahl nicht nachvollziehen und somit auch nicht belegen. Ich weiß auch nicht, wie der Schriftsteller, dessen Artikel kürzlich in der FAZ erschien, an diese Zahl gekommen ist. Ich kann auch nicht sagen, ob ein Buch nach seiner Definition mindestens fünfzig Seiten haben muss oder fünfhundert, um ein Buch genannt zu werden. Wahrscheinlicher ist, dass er die Definition „das ist ein Buch“ an der Qualität und nicht an der Seitenzahl festmacht. Er unterscheidet nämlich zwischen „literarischem Dilettantismus und literarischer Könnerschaft“. Kurz gesagt: Ein Buch darf sich nur dann ein Buch nennen, wenn es ein Könner geschrieben hat. Und ein Schriftsteller darf sich nur dann Schriftsteller nennen, wenn er sich zum Werk gequält hat; wenn er davon leben muss, wenn er dafür Opfer gebracht hat. Leider gäbe es zu viele Nebenerwerbsautoren, solche, die eine gesicherte Existenz hätten, einem ordentlichen Beruf nachgingen und nicht von der Hand in den Mund leben müssten. Heißt das etwa, dass einer, der – sagen wir – Versicherungsjurist ist, wie beispielsweise Franz Kafka einer war, kein erstklassiger Autor sein kann? Oder wie Max Frisch, der noch als Architektur-Student den städtischen Freibad-Wettbewerb für den Zürcher Letzigraben gewann und das Bad dann als diplomierter Architekt auch baute, obwohl er schon lange zuvor „Schriftsteller“ als Beruf in seinen Ausweis hatte eintragen lassen?

Musterbeispiel Immanuel Kant: Versicherungsjurist und Literat

Max Mustermann will ein Buch schreiben, weil er glaubt, er sei Max Frisch. Dieser Satz impliziert, dass Max Mustermann – der vielleicht wie Kafka es war bei einer Versicherung tätig ist – keine Könnerschaft in Sachen Literatur entwickeln kann. Kafka begann in Prag in der böhmischen Niederlassung der „Assicurazioni Generali“ als Hilfsbeamter und widmete sich da schon seinem nächtlichen Schreiben. Nach einem Jahr verließ er die „Generali“ und wechselte zur „Arbeiter-Unfall-Versicherung“, die ebenfalls in Prag ansässig war. Dort kümmerte er sich um das Privatversicherungswesen, die Einbeziehungen der Privat-Automobil-Versicherungsverträge in die gesetzliche Unfallversicherung der Arbeiter und um Fragen der Unfallverhütung. Verglichen mit seiner heute bekannten literarischen Könnerschaft, klingt das unglaublich banal. Auf der einen Seite war er doch nur ein Angestellter einer Versicherung. Er ging einer Allerweltstätigkeit nach. Er war einer von vielen, die morgens mit der Aktentasche unter dem Arm die Wohnung verließen, mit der Straßenbahn zu Arbeit fuhren und brav ihre acht oder zehn Stunden im Büro verbrachten. Und er hatte eine sichere Anstellung und nagte nicht am Hungertuch. Wie konnte er da gleichzeitig ein großartiger Schriftsteller sein? Machen wir es kurz: Irgendwann löste sich Kafka aus seiner Versicherungsangestelltenexistenz und wurde Vollzeitschriftsteller. Allerdings nicht freiwillig. Kafka wurde unheilbar krank. Seine häufige krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz in der Versicherung führte zu seiner Früh-Pensionierung. Meine These: Wäre er nicht an Lungen-Tuberkulose erkrankt, hätte er seine sichere Anstellung nicht aufgegeben und weiter als Versicherungsjurist gearbeitet. Er hätte noch sehr lange beides gleichzeitig sein können: Max Mustermann und Max Frisch.

Selbstverwirklichung mit den Mitteln des Selfpublishing?

Zu Zeiten von Kant, Frisch und Co brauchte man noch einen Verlag, um sein Werk zwischen zwei Buchdeckel zu packen und das Ganze schließlich als Roman oder Biografie publizieren zu lassen. Der Verlag war das Nadelöhr, durch das das Kamel hindurchmusste. Eine Art Schlüsselinstanz, die nur passieren ließ, was von literarischer Qualität war. Heutzutage kann ein Max Mustermann beides zugleich sein: Autor und Verleger. Und hier läge – folgt man der These des oben zitierten Schriftstellers – einer der Ursachen für den zunehmenden Dilettantismus im Literaturbetrieb. Die Anziehungskraft, sich Buchautor nennen zu können, sei hoch. Die Schwelle, Buchautor zu werden, sei niedrig. Selbst schreiben wollen heute viele, selbst veröffentlichen kann jeder. Und der Dilettanten, die ihren Wunsch in die Wirklichkeit umsetzten würden, gäbe es einfach viel zu viele. Heute käme quasi jedes Kamel, das glaubt, schreiben zu können, durch. Aber ist das ein Problem? Was macht es schon, wenn sehr viele Bücher mehr geschrieben werden, wenn diese Bücher gar nicht gekauft und damit auch nicht gelesen werden? Wem tut das weh? Vielleicht geht es so manchem „literarischen Dilettanten“, der ein Buch schreibt, mehr darum, am Ende überhaupt geschrieben zu haben und das Produkt seiner Arbeit schließlich auch in Händen zu halten? Was soll Schlechtes daran sein, wenn jemand schlussendlich Befriedigung daran findet, die Anstrengung auf sich genommen und das Werk auch vollendet zu haben? Ich denke, diese Art von Selbstverwirklichung ist legitim. Sie stört mich, den professionellen Schreiber, überhaupt nicht. Ich respektiere jeden, der sich wochenlang von Seite zu Seite arbeitet, vielleicht sogar quält, um seinen Weg bis zum letzten Satzzeichen zu gehen. Und vielleicht liegt sein Ziel gar nicht in der Veröffentlichung. Vielleicht ist der Weg ja das Ziel. Die Entschleunigung der Zeit durch das Schreiben. Das Durchlaufen auch von schwierigen Phasen. Aber vor allem die Glückserfahrung unterwegs.

Selbst schreiben? Oder wie von selbst schreiben lassen?

Und überhaupt – Was heißt das schon? Die Hälfte aller Deutschen will ein eigenes Buch schreiben. Wie viele setzen diesen Wunsch denn auch um? Es gibt ein großes Bedürfnis zu schreiben. Aber entsteht dadurch wirklich eine bedeutend größere Anzahl an Büchern? Und vor allem: Wächst daraus eine Konkurrenz für den literarischen Könner? Ich glaube nicht. Nein, ich bin mir sicher. Dabei will ich natürlich gar nicht verschweigen, dass ein Ghostwriter sogar davon profitiert, wenn das Schreiben von Büchern ein gewisses Maß an Ansehen genießt und halb Deutschland deshalb ein Buch schreiben will. Menschen, die aus ganz persönlichen Motiven heraus den Wunsch hegen, ein Buch zu schreiben oder Experten, die ein Buch schreiben wollen, um sich auch als Autor positionieren zu können, haben jedoch oft das Problem, dass sie entweder nicht wissen, wie sie es anstellen könnten oder nicht wissen, wann sie dafür die Zeit finden sollten. Das heißt aber nicht, dass sie auf ihr Buch verzichten müssen. Hier kann das Schreiben mit professioneller Begleitung die Lösung sein. Auch, weil nicht jeder, der eine Geschichte zu erzählen hat, eine flotte Feder führt. Und nicht jeder, der Experte auf seinem Feld ist, sich auch in der Welt der Sachbücher auskennt und weiß, wie aus schriftlichem Erklären auch ein unterhaltendes Erzählen wird. Das jedoch kann ein guter Ghost an der Seite eines jeden leisten, der ein eigenes Buch schreiben will oder schreiben lassen will. Sollten Sie also zur besagten Hälfte gehören, für die eine Buch-Referenz zum guten Ton gehört, dann nur zu: Machen Sie gleich ganze Sachen und schreiben Sie mir. Ich garantiere Ihnen, dass ist so ziemlich das letzte Mal, dass Sie selbst etwas schreiben müssen.

SCHREIBEN MIT GEIST

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