Vor etwa zehn Jahren habe ich mein erstes Buch veröffentlicht: ein Buch mit 35 Glossen. Im Frühjahr 2015 erschien dann erstmals ein Band mit Kurzgeschichten von mir im Zürcher Offizin Verlag und im Herbst desselben Jahres ein dokumentarischer Roman, gefolgt von einem zweiten, den ich im Frühjahr 2018 im renommierten Theiss Verlag veröffentlichen konnte. Etwa zur gleichen Zeit fing ich an, Bücher im Auftrag zu schreiben. Bis heute haben über zwanzig Buchkundinnen und Buchkunden mir ihr Vertrauen geschenkt. Manche sogar zweimal. Viele haben ein Sachbuch, andere haben ihre Biografie schreiben lassen.
Ich weiß, was es heißt, das eigene Buch unter eigenem Namen zu publizieren. Es heißt, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Es heißt, sich einen Traum zu erfüllen – zumal beim ersten Buch. Es heißt, sich über positive Kritik zu freuen und die negative zu fürchten. Ich weiß, was es heißt, ein eigenes Buch zu schreiben. Es heißt, sich seinen Schwächen als Schreiber zu stellen und sich gleichzeitig seiner Stärken bewusst zu werden. Es heißt, sich von Manuskriptseite zu Manuskriptseite zu quälen und trotzdem von Glück durchströmt zu werden, wenn ein Satz gelingt. Es heißt, den Wolken ein Stück näher zu sein und die Angst vor dem Absturz nicht ganz verdrängen zu können. Es heißt, seine Ziele genau zu formulieren, weil das Geschäftsmodell Schriftsteller nicht unbedingt zum Geldverdienen taugt.
Es heißt aber auch, einen großen Schritt in Richtung selbstbestimmter Arbeit zu tun; frei tätig zu sein, wenn auch nicht frei von ökonomischen Zwängen. Natürlich ist letzteres für Menschen, die nur einmal in ihrem Leben ein Buch schreiben, aber nicht davon leben wollen – vom Schreiben – kaum von Bedeutung. Einmal ein Buch. Einmal mein Buch. Einmal sagen können: Ich habe ein Buch geschrieben. Ich kann den Stolz auf das eigene Buch verstehen; vor allem dann, wenn es das erste ist.
Das Erste wird immer das Erste sein. Auch wenn es beim Ersten bleibt. Denn das Erste impliziert ja eigentlich, dass noch ein zweites und weitere folgen würden. Aber auch, wenn kein weiteres Buch mehr folgt, es also beim ersten bleibt: es ist ein starkes Gefühl. Das erste Buch ist wie das erste Mal. Der erste Kuss, die erste große Liebe, die erste Liebeserklärung, der erste Sex, der erste Liebeskummer oder profaner: das erste selbst verdiente Geld, das erste Auto, die erste Zigarette (oder die letzte), der erste Urlaub ohne Eltern, der erste Job, die erste Beförderung, die erste persönliche Krise. Man wird das erste Mal nie vergessen.
Der Wunsch, ein eigenes Buch zu schreiben, ist keinesfalls ein exotischer. Ich weiß es, denn mich erreichen regelmäßig Anfragen von Personen auf deren Wunschliste ein Buch ganz oben steht. Darunter auch viele, die ihre Biografie schreiben lassen wollen. Der Buch-Wunsch zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten, alle Berufsgruppen, beschäftigt Mann wie Frau – fast jeden Alters; Otto-Normal-Mensch von nebenan ebenso wie Bambi-Gewinner, die auf dem Roten Teppich zuhause sind.
Warum? Warum ein Buch? Ich glaube, hier kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass es Unterschiede gibt, zwischen einem Menschen, der ein Buch schreiben will und dem anderen, der ein Buch haben will. Menschen, deren Wunsch stark genug ist, schreiben zu wollen, kommen eines Tages oft selbst an den Punkt, an dem sie mit dem Schreiben beginnen. –––
Ich möchte Ihnen kurz von mir erzählen: Ich habe von Berufs wegen schon immer geschrieben – als Texter für die Werbung. Irgendwann war mir das nicht mehr genug. Ich wollte nicht mehr nur über Bier, Autos und Waschmittel, Reisen, Versicherungen und all das Zeug schreiben. Auf meiner Stirn stand zwar noch Werbung. Aber in meinem Kopf hatte Werbung keinen Platz mehr. Also probierte ich andere Genres aus. Ich hatte viele Jahre als Werbetexter mein Geld verdient, so wie Martin Suter etwa oder Frank Schätzing. Aber hin und wieder scherte ich aus, verließ den Kommerzpfad und schrieb ganz Unwerbliches: Kurzgeschichten, Essays, Prosa, Notate. Fingerübungen. Learning by Doing. 1997 fing ich damit an.
2002 war mein erster Roman fertig (ein Krimi – bis heute unveröffentlicht). Der Roman war ein großes Lernstück für mich. Bei mir war es so, dass ich bei meinem Schreiben Glück empfand. Die Endorphine wirkten wie eine Droge. Ich wollte mehr davon und schrieb mehr. Ich schrieb, um des Schreibens willen; vor allem aber des Glücksgefühls wegen, das sich in mir ausbreitete, sobald ich schrieb. ––– Sie kennen diesen Satz bestimmt: Ich muss schreiben. Auch bei mir was das so. Ich stellte mir nicht die Frage, ob ich den Roman machen wollte oder nicht. Es war eine Notwendigkeit.
Ich hatte nicht nur Appetit aufs Schreiben abseits der Werbung bekommen. Ich hatte einen gewaltigen Hunger. Und es war so, als könnte ich diesen Hunger nur durch mein Schreiben stillen. Ich wusste nicht, ob ich mein erstes Buch, das ja zunächst noch keines war, sondern nur in Form von ein paar Seiten existierte, zu Ende schreiben würde. Aber ich hatte angefangen. Ich hatte mich auch nicht gefragt, ob und was dieses Buch für mich konkret verändern würde. Ich wusste nur, stellte ich es fertig, würde irgendetwas Gutes passieren. Und so schrieb ich fortan an meiner Geschichte als Schreiber immer und immer weiter und auch die Geschichte meines Schreibens schrieb sich immer und immer weiter. Heute schreibe ich auch als Ghostwriter, um damit den Lebensunterhalt für meine Familie zu verdienen.
Ich schreibe für Kunden, die ein Buch brauchen oder es haben wollen. Brauchen? Haben wollen? Ich sehe hier einen Unterschied in der Motivation. Ein Mensch, der ein Buch braucht, unterscheidet sich von einem Menschen, der ein Buch haben will, deutlich. Menschen, die ihre Lebensgeschichte aufschreiben möchten (oder schreiben lassen möchten), brauchen das Buch. Sie suchen nach einer Ausdrucksform, um ihr eigenes Leben erzählen zu können. Sie kommen mit ihrer Geschichte zu mir und wir schreiben gemeinsam weiter oder sie kommen nur mit einer Idee und ich schreibe es für sie vom ersten bis zum letzten Satz.
Ihr Antrieb: Sie möchten mit ihrem Buch etwas von sich hinterlassen und sagen: »Seht her, ich habe existiert. Ich war da.« Die andere Gruppe besteht aus jenen Menschen, die ihren Wunsch ganz nüchtern wie einen Auftrag formulieren. Und genau das ist es auch: ein Auftrag, ein Timing, ein Abgabetermin. Sie sehen diesen Auftrag wie eine Dienstleistung und sie bezahlen sie wie eine Auftragsarbeit. Emotional sind sie mit ihrem Thema nicht so stark verbunden. Sie kommen meist aus beruflichen Gründen auf mich zu. Sie wollen das Buch haben, weil sie es als ihre Visitenkarte einsetzen möchten. Sie wollen sich auf einem umkämpften Expertenmarkt mit dem Buch differenzieren oder mit einem bestimmten Wissen ihre Kompetenz über das Buch manifestieren. Das ist für mich alles völlig legitim.
In beide Personengruppen kann ich mich hineinfühlen – in die emotionale wie in die rational gesteuerte. In die, die eine Biografie schreiben lassen wollen auf der einen und in die, die ein Sachbuch schreiben lassen wollen auf der anderen Seite. Das literarische Erzählen hier und das fachlich profunde und unterhaltsame Darstellen eines Sachverhaltes dort. Ich freue mich über jeden Auftrag und darüber, die Menschen dahinter kennenlernen zu dürfen. Für diese Menschen bin ich Holger Schaeben, der Autor, der Ghostwriter, der Auftragsschreiber, die schreibende Kraft hinter ihrem Buch.
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