Das Material, mit dem ich als Ghostwriter arbeite, beschränkt sich nicht auf Buchstaben, auch Zahlen kommen vor. Der Grund dafür sind ökonomische Zwänge. Ghostwriting kostet. Seitdem ich als freiberuflicher Ghostwriter Holger Schaeben meine Brötchen verdiene, bin ich bemüht, auch Zahlen zu schreiben – vor allem schwarze. Ob die Zahlen, die ich schreibe, am Ende tatsächlich schwarz sind, zeichnet sich häufig schon vor einem allerersten Erstauftrag ab. Es gibt diese allerersten Erstgespräche (meist am Telefon), in dem mein Gegenüber irgendwann auf seine ökonomischen Zwänge zu sprechen kommt. Damit kann ich fest rechnen. Er spricht zunächst sehr ausführlich über den sehr guten Auftrag, den er mir in Aussicht stellt und dann über die schlechte Wirtschaftslage, von der ja alle betroffen sind, und will mir sagen (ohne es wirklich zu tun), dass er mich wirklich sehr, sehr gerne beauftragen würde, aber ich ja wüsste, wie das ist. Ich weiß es natürlich nicht.
Was ich aber weiß, ist, dass er schon im allerersten Erstgespräch signalisieren will, dass er von mir sehr, sehr viel erwartet, aber nur sehr, sehr wenig dafür bezahlen kann. (Kann sein, dass ich etwas übertreibe…) Dafür, dass er sehr, sehr wenig bezahlen kann, entschuldigt er sich dann auch. Auch das kann ich vor derartigen Gesprächen fest einkalkulieren. Dann überlege ich mir immer sehr, sehr genau, ob ich das Gespräch an diesem Punkt mit nur einem Satz beenden soll – zum Beispiel mit meinen Seitensatz (Dem Ein oder Anderen bekannt als Seitenpreis). Oder noch »brutaler« mit meinem Mindestsatz, den ich als Ghostwriter für ein Buch-Manuskript ansetzen muss. Das tue ich gewiss nicht. Ich habe mir angewöhnt, dieses hochsensible Thema entsprechend zu würdigen, in dem ich nicht gleich mit den konkreten Kosten ins Haus des potenziellen Kunden falle.
Abgesehen davon, dass es zu diesem Zeitpunkt des Kontaktes zwischen dem Kunden in spe und mir noch gar nicht möglich ist, müsste ich – würde ich jetzt eine Zahl in den Raum stellen – dieses ach so hohe Honorar sofort rechtfertigen. Ich wäre in der Defensive, in einer Position, in der ich mich verteidigen müsste, obwohl ich für mein professionelles Ghostwriting – also für eine Expertenleistung – doch nur eine ganz normale Rechnung schreiben wollte; wie jeder Architekt es für seine Leistung auch macht, wie jeder Fahrschullehrer, jeder Rechtsanwalt, jeder Gärtner, jeder Unternehmensberater, jeder Tischlermeister, jeder Gemüselieferant, jeder Coach. Statt mich also zu rechtfertigen, erkläre ich meine Arbeit lieber erst einmal ausführlich, lange bevor die Sprache auf das liebe Geld kommt, also was Ghostwriting kostet.
Ich weiß es ja auch: Niemand – erst recht kein Kunde – spricht gerne über Geld, schon gar nicht, wenn dieses Kundengeld in den nächsten Monaten der Auftragnehmer bekommen soll. In diesem Falle sein Ghostwriter in spe. Der soll doch nur schreiben. Ich weiß ebenso: Jeder, der mir einem Buchwunsch zu mir kommt, ahnt, dass er dafür etwas bezahlen muss. Er oder sie hat jedoch keinerlei Vorstellung davon, wie viel das sein könnte, was das kostet – ein Buch schreiben lassen, ein Sachbuch, eine Lebensgeschichte (Biografie), ein Unternehmensbuch, eine Firmenchronik, ein Kompetenzbuch, ein Imagebuch, einen Ratgeber. Irgendwann im Laufe des Telefonats kommen dann aber doch die ersten zaghaften Fragebröckchen, die verbal das Finanzielle einläuten.
Bis schließlich auch das böse Wort Honorar an mein Ohr dringt, vergeht manchmal eine gute halbe Telefonstunde. „Gut“ sage ich dann, „Sie wollen es ja nicht anders.“ Pause. Wenn mein Gegenüber noch nicht aufgelegt hat, führe ich weiter aus: „Was Ghostwriting kostet, ist pauschal nicht zu beantworten. Ich kann Ihnen ein konkretes Angebot erst dann machen, wenn ich genau überblicke, was ich an Leistungen für Sie erbringen muss. Aber ich kann Ihnen den Kostenrahmen darstellen. Haben Sie etwas zum Schreiben?“
Ich höre ein ängstliches „Ja“ auf der anderen Seite der Leitung, dann rede ich weiter und höre lange nichts mehr. „Für die Normseite berechne ich 150 Euro, mit Toleranzen nach oben und nach unten. Man nennt das auch den Seitenpreis. Übrigens bin ich die letzten zehn Jahre keinen Cent teurer geworden. Billiger aber auch nicht.“ Jetzt stelle ich mir dann jedes Mal vor, wie mein eben noch munterer, zukünftiger Kunde zu rechnen beginnt und dann Schnappatmung bei ihm einsetzt: Seitenpreis mal Anzahl der Buchseiten… „Das ist aber eine Stange Geld“, antwortet er leicht desillusioniert – wenn er noch zu antworten in der Lage ist.
So oder so. Ich klinke mich wieder ein, um zu retten, was zu retten ist. „In diesem Preis sind ja auch alle Kosten enthalten, die rund um das eigentliche Ghostwriting entstehen, etwa für die Recherche, das kann sehr, sehr zeitintensiv sein. Oder die Zeit für Gespräche wie jenes, dass wir gerade führen oder Interviews, die ich mit Ihnen führen werde, um das Buch für Sie schreiben zu können. Und die Gliederung des Manuskriptes ist auch drin, und natürlich die Formulierung des gesamten Buches, einschließlich der Revisionsschleifen, maximal aber zwei. Ich übertrage auch alle Nutzungsrechte an Sie, zeitlich wie räumlich unbegrenzt und trete als Autor nirgends in Erscheinung, wenn Sie das so wünschen. Sie sind der Boss.
Das Einzige, was gesondert berechnet werden muss, sind Sonderleistungen wie Reisekosten oder zum Beispiel die Verlagsvermittlung, die ich auch für Sie übernehmen kann. Um Ihnen aber eine genaue Kalkulation, was das Ghostwriting kostet, vorlegen zu können, müssten Sie mir Ihr Material – einige Kapitel, Strukturierung des Buches, vorläufiges Inhaltsverzeichnis – zur Sichtung vorlegen. Sie haben doch Material, oder?“ Weiter Stille am anderen Ende der Leitung. Und weil Stille ein ganz schlechtes Ding in der Kommunikation zwischen zwei Menschen ist, ergreife ich rasch wieder das Wort: „Aber wissen Sie, Sie müssen selbst wissen, ob Ihnen das Ihr Buch wert ist. Ich finde, es ist immer wert, an ein Buch zu glauben. Darauf kommt es doch an. Wenn SIE nicht daran glauben, wer soll es denn sonst tun?“
Ja, so oder so ähnlich müssen Sie sich viele meiner Erstgespräche vorstellen: Hier ich, der Ghostwriter Holger Schaeben, da der Kunde in spe, der ein Buch schreiben lassen will. (Kann sein, ich habe etwas übertrieben. Aber nur etwas.)
Nein, ich bin nicht geldgierig. Ich bin abhängig. Abhängig in erster Linie von Aufträgen. Abhängig von Umsätzen und Erlösen. Also bitte, erlösen Sie mich, nehmen Sie mich für bare Münze. Sie tun etwas Gutes. Denn meine finanzielle Unabhängigkeit wird größer und damit meine Freiheit für Sie ein wirklich gutes Buch zu schreiben.
Ich habe nur den einen Wunsch: Bezahlen Sie mich angemessen. Davon lebe ich. Ich bin Kleinunternehmer. Ich muss rechnen, mein Honorar muss ich über lange Zeitstrecken dehnen. Die Arbeit an einem Buch dauert sechs bis acht Monate, manchmal auch ein Jahr. Und dann rechnen Sie einmal bitte nach, welches Monatsgehalt am Ende dabei rauskommt.
Ihr Ghostwriter
Holger Schaeben
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